Missbrauch der CE-Kennzeichnung bei Sexspielzeug

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Missbrauch von CE-Kennzeichnung
© iStock | Pixavril

80% der Sexspielzeuge entsprechen schätzungsweise nicht den gesetzlichen Bestimmungen

Bei der Kunststoffüberprüfung von 20 Sexspielzeugen hatten wir im Jahre 2004 in einem Labor die gesundheitliche Unbedenklichkeit überprüft. Bekanntermaßen war das Ergebnis verheerend. Zwischenzeitlich hat sich auch die Zeitschrift ÖKO-Test diesem Thema angenommen und einen umfassenden Test durchgeführt.

Nun haben wir uns vom TÜV Deutschland schulen lassen, um auch die technischen und sicherheitstechnischen Eigenschaften kompetent und fachlich richtig beurteilen zu können. Wir wollten wissen, wie es um die CE-Kennzeichnungspflicht wirklich steht und warum sie nicht oder nur halbherzig umgesetzt wird. Reicht es einfach ein Siegel auf die Packung zu kleben? Was sagt es aus? Fragen über Fragen…

Bei einem Gespräch mit dem Referenten des TÜVs wurde uns bestätigt, dass sich gerade die Erotikindustrie in einer rechtlichen Grauzone befindet. Es sei bekannt, dass schätzungsweise 80% der Erotikartikel gesetzeswidrig vertrieben werden. Es mangle in erster Linie an vernünfigen technischen Dokumentationen (Betriebsanleitungen), Gefahrenanalysen und Herstellernachweisen. Doch niemand will das Thema anfassen – Es scheint so, als gäbe es dieses Marktsegment einfach gar nicht.

Nach der Schulung besuchten wir persönlich zwei Sexshops in Hannover. Außerdem schrieben wir drei große Onlineshops anonym an und erfragten, ob die Produkte gemäß den EU-Richtlinien zertifiziert und unbedenklich seien. Alle Verkäufer sicherten uns dies zu! Wir bestellten uns bei einem der Shops sieben Sexspielzeuge und wollten sehen, in wie weit sie ihren CE-Kennzeichnungspflichten und die europaweit gesetzlich vorgeschriebene Einhaltung von Sicherheitsrichtlinien tatsächlich befolgen.

Wir möchten mit diesem Bericht weiter über den Missstand des Erotikmarktes aufklären und die Augen für das Qualitätsbewustsein weiter öffnen.


Was ist CE?

Seit 1997 ist die CE-Kennzeichnungspflicht bei technischen Geräten innerhalb der gesamten europäischen Union gesetzlich vorgeschrieben. Sie besagt, dass der Hersteller oder Importeur (Erstinverkehrbringer) des entsprechenden Produktes überprüfen und sicherstellen muss, ob es den gesundheitlichen und  sicherheitstechnischen Richtlinien entspricht. Er muss also überprüfen, ob das Produkt gegen die Grenzwerte und Auflagen der u.g. Richtlinien verstößt. In einigen Richtlinien steht auch drin, dass der Hersteller oder Importeur eine so genannte Baumusterprüfung, also ein Produkt aus der Serie, dem TÜV oder einer anderen benannten Stelle vorlegen muss, bevor es zugelassen werden darf.

Außerdem erscheint der Hersteller oder Importeur offiziell namentlich, mit Adresse und Kontaktdaten in der gesetzlich vorgeschriebenen Gebrauchsanleitung.

Wofür steht die Abkürzung „CE“?

CE steht als Abkürzung für Europäische Gemeinschaften (französisch “Communautés Européennes”) und soll die Übereinstimmung eines Produktes mit den jeweils maßgeblichen EU-Richtlinien darstellen (siehe unten).

Das CE-Zeichen bringt der Hersteller / Importeur, auf der Basis einer technischen Dokumentation (Betriebsanleitung), selbst an. Verlangt die EU-Richtlinie eine Zertifizierung, so wird neben der CE-Kennzeichnung die Kennnummer der benannten Stelle (z.B. TÜV) angebracht.

Wozu CE?

Bis zum Wegfall des Zolls innerhalb der EU hatte der Zoll die Einfuhr von Produkten überwacht und der Verbraucher war weitestgehend vor Billig- & Grauimporten geschützt. Durch den Wegfall der Zollpflicht tritt nun das Problem auf, dass eine Vielzahl von Geräten über Länder, mit etwas lascherer Handhabung der Zollpflicht, Waren einführen oder herstellen, die nicht dem allgemeinen Sicherheits- und Qualitätsstandard entsprechen.

Dies ist insbesondere wichtig bei medizinischen und elektrischen Geräten oder Maschinen. Um den Verbrauchern dennoch Transparenz und Schutz zu bieten, hat der Europäische Rat beschlossen, die CE-Kennzeichnungspflicht einzuführen.

Gewissermaßen ist die Zertifizierung eine Art europäischer “technischer Reisepass”.

Ist das CE-Zeichen ein Gütesiegel?

Nein. Auch wenn sich diverse Hersteller damit brüsten, ist CE lediglich ist eine gesetzliche Vorschrift. Es besagt nicht, dass das Produkt besonders gut oder sicher ist, wie z.B. das GS-Zeichen. Auch andere gesetzliche Vorschriften bleiben von der CE-Vorschrift unberührt.

Aber eines steht fest, durchläuft ein Produkt die Norm-Prüfungen ist davon auszugehen, dass es auch hochwertiger und haltbarer ist, als ein ungeprüftes, chinesisches Billiggerät.

Was besagen die Richtlinien (Normen) im Einzelnen?

Maßgeblich für die Vergabe des CE-Zeichens und der Konformitätserklärung ist für Sexspielzeuge die Norm:

  • Elektromagnetische Verträglichkeit 89/336/EWG, 92/31/EWG u. 93/97/EWG (EMV-Gesetz) v. 01.01.1996
    KonformitätserklärungDiese Richtlinien schreiben vor, wie viel elektromagnetische Störungen das Gerät aussenden darf, aber auch bis zu welcher Intensität elektromagnetische Störungen von außen das Gerät nicht in seiner Funktionsweise beeinträchtigen dürfen.
    Alle Sexspielzeuge mit Motor unterliegen zumindest dieser Richtlinie und sind somit CE-pflichtig!

Einige Sexspielzeuge fallen außerdem unter diese Richtlinien:

  • Niederspannungsrichtlinie 73/23/EWG (1.GPSGV) v. 01.01-1997
    Die Richtlinie in Verbindung mit der Änderungsrichtlinie 93/68/EWG definiert die Anforderungen für das Inverkehrbringen von elektrischen Elektroprodukten für die Verwendung bei einer Nennspannung von 50 V bis 1.000 V ~ und 75 V bis 1.500 V ~ .
    Jegliche Vibratoren mit Netzanschluss unterliegen dann dieser Richtlinie.
  • Maschinenrichtlinie 98/37/EG (9.GPSGV) vom 01.01.1995
    Diese besagt, dass der Betrieb dieser Maschine so lange untersagt ist, bis feststeht, dass die Maschine, insgesamt den geforderten Sicherheitsanforderungen entspricht.
    Diese Richtlinie betrifft z.B. jede Sexmaschine.
  • Medizinprodukte 93/42/EWG (Medizinproduktegesetz) vom 16.06.1998
    Diese Regelung soll für die Sicherheit, Eignung und Leistung von Medizinprodukten bzw. deren Zubehör sowie die Gesundheit und den erfor­derlichen Schutz von Patienten, Anwendern und Dritten zu sorgen.
    Reizstromgeräte unterliegen beispielsweise dieser Richtlinie.
  • Funkanlagen u. Telekommunikationseinrichtingen 1999/5/EG v. 07.04.2000
    Die Norm legt fest, dass ein Produkt (Telekommunikationsendgerät, Funkanlage) den grundlegenden Anforderungen (Art. 3 RTTE und § 3 FTEG ) in Bezug auf Schutzanforderungen sowie effizienter und störungsfreier Frequenznutzung entspricht.
    Funkferngesteuerte Lusteier wären ein Beispiel dieser Richtlinie.

Warum halten sich so wenige an die Vorschriften?

Genau genommen ist die CE-Kennzeichnung eines der unbeliebtesten Themen bei den Herstellern. Einige lachen, andere fluchen darüber. Der Hersteller muss sich nun die Arbeit machen und eine technische Dokumentation (Gebrauchsanleitung) schreiben, Waren prüfen, Sachverständigenrat einholen, ggf. Waren beim TÜV vorführen und auch noch im Rahmen der Gewährleistungspflicht seine Herkunft preis geben. Auch eine betriebsinterne technische Dokumentation muss erstellt werden.

Das sind alles Punkte, die unbequem sind und keinen Gewinn abwerfen. Deswegen entscheidet jemand, dass einfach ein CE-Siegel raufgepappt wird und fertig.

Außerdem sei die allgemeine Un- & Halbwissenheit von vielen Händlern und Herstellern genannt.

Kontrolliert und reguliert denn keiner die Vorschriften?

Es gibt in Brüssel eine große Abteilung, die die Einhaltung der Gesetze überwacht. Es ist davon auszugehen, dass diese weiter ausgebaut wird und Meldestellen eingerichtet werden, wo sich der Verbraucher selbst beschweren kann.

Dem Hersteller, Händler oder Importeur drohen satte Geldstrafen bei Nichteinhaltung der Vorschriften. Es dauert vielleicht noch ein paar Jahre, bis dies deutlich durchgesetzt wird.

Was besagt die Konformitätserklärung?

In der Konformitätserklärung erklärt der Hersteller / Importeur ausdrücklich, dass sein Produkt mit allen benannten Sicherheitsrichtlinien konform ist. D.h., dass er sie überprüft und eingehalten hat, sowie wie der Hersteller direkt erreichbar ist.

Diese Adresse wird in Regress genommen, wenn etwas passiert ist oder nicht eingehalten wurde.

Spielzeugrichtline

Übrigens fallen Erwachenenspielzeuge nicht unter die „Verordnung über die Sicherheit von Spielzeug“ (88/378/EWG / 2. GPSGV). Diese Verordnung gilt nur für Erzeugnisse, die dazu gestaltet oder offensichtlich bestimmt sind, von Kindern im Alter bis 14 Jahren zum Spielen verwendet zu werden.

Eigentlich schade, denn dann müsste jeder Erotikartikel gründlich vom TÜV oder eine andere benannte Stelle geprüft werden. Das würde sicherlich dazu beitragen, dass deutlich weniger Schrott und schlechte Materialien auf dem Markt erhältlich sind.


CE-Zeichen VibratorenUnserer Konformitäts – Recherche

Wie oben bereits beschrieben haben uns die Sexshops zugesagt, dass alle gesetzlichen Regeln eingehalten wurden. Wir bestellten uns folgende Artikel zur Überprüfung:

Das Ergebnis war erwartungsgemäß besorgniserregend! Keines der gelieferten Spielzeuge konnte sich auch nur annähernd mit den gesetzlichen Richtlinien identifizieren. Auf allen Produkten wurde ein CE-Siegel missbräuchlich und rechtswidrig angebracht!

So wie bei den meisten Erotikspielzeugen allgemein üblich, findet man bei den Vibratoren Sex Maniac, Big Boy XXL, Venus-Penis, von einem nachträglich aufgeklebtes CE-Siegel abgesehen, keine technische Dokumentation und auch keine vernünftigen Herstellerhinweise. Diese Geräte würden im Falle einer Überprüfung definitiv sanktioniert und verboten werden! Nur ein winziger Zettel erklärt, wie herum die Batterien eingelegt werden sollen.

Bei Sinnflut Reality, Delphin II und Durex Play Fantasy, war so etwas wie eine Betriebsanleitung / Benutzerinformation vorzufinden. Auch wenn die CE-Zeichen direkt auf die Packung gedruckt wurden, genügen diese den gesetzlichen Ansprüchen nicht. Nach aktuellem Gesetzesstand liegt somit auch hier ein Missbrauch der CE-Zertifizierung vor.

Bei einigen Produkten wurde die gesetzlich vorgeschriebene Mindestgröße des CE-Schriftzuges nicht eingehalten. Lediglich der Aufkleber war 5mm groß.

Auch bei HITACHI Magic-Wand, Eroscillator und anderen Importprodukten ist es leider so, dass eine Vielzahl von Erotikshops einfach irgendwelche Sachen importieren und in Verkehr bringen, ohne sich den weiteren Konsequenzen im Klaren zu sein. „Es wird schon nichts passieren“ oder „Wen interessiert das?“, sind die üblichen Antworten.

Doch eines ist klar: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht!“. Bringt ein Sexshop eine Ware in Verkehr, haftet nach dem Motto „Den letzten beißen die Hunde“ der Sexshop.

Witzig ist übrigens, wenn dass auch z.B. auf Dildos, Fesseln, Masturbatoren und anderen unmotorisierten Sextoys CE-Aufkleber zu finden sind. Diese unterliegen gar keiner Zertifizierungspflicht! Scheinbar hat dort jemand vom Qualitätsmanagement seine Hausaufgaben nicht gemacht.

Schlusswort

Hoffentlich haben wir einen einigermaßen verständlichen Einblick in die Geheimnisse um das allgegenwärtige und sagenumwobene CE-Zeichen gegeben.

Da auch viele Händler hier mitlesen, hoffen wir, auch diesen einige Denkanstöße gegeben zu haben, sich fachkundig zu informieren. Einfach ein CE-Zeichen auf die bunte Packung raufpappen – reicht nicht! Es gehört eine vernünftige Prüfung und Benutzerinformation in Papierform dazu.

Denn nur wenn Kunden aufgeklärt sind und Händler gewillt sind, den Gesetzen nachzukommen, hat die Service-Wüste Europa wieder die Chance auf glücklichere Kunden.

Weitere Informationen:

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